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JIANG BIAN-HARBORT
Meisterschülerausstellung

Mama, wo bist du?




04.05. - 16.06.2012 , Galerie ARTAe Leipzig

Eröffnung am Freitag, 4. Mai 2012 um 19 Uhr

Musik: Brasilianischer Tango mit Trio Enfierrado: Jürgen Karthe (Bandoneon),
Leandro Raszkewicz (Gitarre), Saul Villao (Gesang) und Maximilian Kleefeldt (Tuba)
Die Künstlerin ist anwesend


     

links: Spiegel, 2011, Bronze poliert
rechts: Ich weiss nicht, wie es mir gefällt, 2011, Gips, 48 x 45 x 45 cm



„Mama, wo bist du?“

Ein gebrüllter mit Wut gefüllter Satz, eine leise ängstlich gestellte Frage oder
ein spielerisches Dazwischen? Unabhängig der Konnotation, dieser Titel trifft emotional.
„Mama, wo bist Du?“ ist nicht die Frage nach Rollenbildern, einem normativen Mutterbild
oder gar die Rolle der Frau in der Gesellschaft, sondern spielt mit der subjektiven
Erfahrung des Betrachters. Jeder ist Kind einer Mutter und hat so seine individuellen
Assoziationen, die von Verlustängsten bis hin zur mehr oder weniger beladenen
Mutter-Kind-Beziehung geht. Geht man einen Schritt von der Angst beladenen Frage
weiter, so kann man „Mama, wo bist du?“ auch als Frage nach dem Gefühl von
ursprünglicher Geborgenheit verstehen. Wo fühlt man sich geborgen, kann sich
fallen lassen, wird nicht den gesellschaftlichen Urteilen und Maßstäben unterzogen,
sondern in mütterlicher Manier angenommen. Eine weitere Ebene – und diese wird
durch das starke Symbol des Spiegels unterstrichen – liegt in der reflektierenden
Frage, was uns ausmacht und inwiefern Herkunft, Erziehung und familiäre Bindungen
persönlichkeitsbildend sind.

Die ersten Spiegel überhaupt sind in China ca. 1100 v. Chr. während des Überganges
von der Shang- zur Zhou-Dynastie als polierte Bronze bekannt. Die 1976 in China
geborene Bildhauerin Jiang Bian-Harbort knüpft ganz bewusst mit ihren beiden
Spiegeln, ebenso polierte Bronze, an diesem Wissen an, reflektiert zugleich ihre
Herkunft und eröffnet einen Blick in ihre eigene Vergangenheit. Dass die
Übersiedlung nach Deutschland 2001ein etwaiger Kulturschock war, der die Künstlerin
nicht in ihrer gewohnten traditionellen Art und Weise weiterarbeiten ließ, liegt
auf der Hand. Doch mit räumlich und zeitlichem Abstand tauchen immer wieder
Fragen nach Herkunft, Zuhause, Einfluß und Individualität auf. Sich der Arbeit
des Polierens einer Bronze so intensiv hinzugeben, um die reflektierende Fläche
zu erhalten, zeugt nicht nur von Durchhaltevermögen, Hingabe und Präzision
sondern fängt auch die Bedeutungsebenen der Zeit ein: Herstellungsdauer versus
weitgreifende Geschichte des Spiegels, kurzer Moment des in den Spiegelschauens
versus Prozeß der Selbsterkenntnis.

Die in China geborene Künstlerin Jiang Bian-Harbort zeigt die Vielschichtigkeit,
die Spannung, das Psychodramatische des Themas in symbolstarken Installationen und
Skulpturen, sowie in den ausdrucksstarken Sojasaucen-Zeichnungen. Die gezeichneten
Kinderportraits sind allerdings nicht lieblich, lächelnd, schön oder verklärt,
sondern stellen zornige, weinende Gesichter dar, sprich: Jiang gelingt es,
starke Emotionen mit wenigen schnellen Pinselschwüngen festzuhalten und mit
Sojasauce auf Papier einzufangen, die den flüchtigen Momentaufnahmen intensiver
oft recht flotten Wechseln unterlegenen kindlichen Gemütsäußerungen sehr nahe kommen.

Wir freuen uns sehr, dass wir die Meisterschülerausstellung „Mama, wo bist du?“
von Jiang Bian-Harbort in unseren Räumen zeigen können und laden alle sehr herzlich
zur Eröffnung am Freitag, den 4. Mai 2012 ein.

Sabine Aichele-Elsner M.A.
Galerie ARTAe Leipzig