Schulfrei - Junge Leipziger Positionen

Die Relevanz von Strömungen in Gesellschaft und Kunst manifestiert sich erst im Rückblick,
in ihrer historischen und kunstgeschichtlichen Rezeption. Umso größer ist die Herausforderung
zeitgenössische künstlerische Positionen zu zeigen, die nicht nur im Jetzt sind, sondern auch
an Vergangenes anknüpfen und in die Zukunft verweisen. Seit den 60er Jahren und einer
Wellenbewegung nochmals in den 90er Jahren haben sich die Strömungen in der Kunst diverser
Medien, neuen Präsentationen und Ausdrucksformen geöffnet, so dass viele Schauplätze
nebeneinander existieren. Wenn von Schulen gesprochen wird – sei es von der Düsseldorfer,
Leipziger oder gar Neuen Leipziger Schule – so sind dies in Anbetracht der produktiven
kreativen Diversität nur kleine Einblicke in das aktuelle Geschehen. Nicht selten sind und
waren diese Begriffe im Grunde genommen der Versuch, örtliche Strömungen, Häufungen und
Phänomene der Kunstproduktion und Lehre einzuordnen. Diese Einordnung eignet sich gleichzeitig
vortrefflich, kommerzielle Schubladen zu öffnen und das sogenannte Marketing in Perfektion
umzusetzen.

Die Ausstellung „Schulfrei“ zeigt jenseits und frei dieser Zuordnungen aktuelle Positionen
neun junger Leipziger Künstler. Speziell wird das Augenmerk auf die Genres Fotografie, Objekte,
Installation, Zeichnung und Video gelegt. Sowohl poetische als auch konzeptuelle Ansätze spielen
eine Rolle. Formales und Inhaltliches greifen ineinander. Fotografie wechselt ins Installative
(„hinterland connections“ von Jan Mammey und Daniel Poller). Gegenstände werden zu lebendigen
Portraits („Toy soldiers“ von Sebastian Schröder). Der Fotograf Thomas Xaver Dachs inszeniert
sich als Himmelsmalenden. Die Hinterfragung von Schein und Sein ist ein Schwerpunkt in der
unverwechselbaren Kunst von Anna George Lopez. Transformation von alltäglichem Material
nutzt Andreas Miller. Außergewöhnliche Materialien wie farbiger Puderzucker oder Zollstöcke
werden zu bedeutungsvollen Inhaltsträgern. Erinnerung, Geschichte und Kultur werden von Karl-
Heinz Bernhardt in reduziert symbolhaften Objekten und Skulpturen verbunden. Das Video
„Pyramide“ von Ronald Gerber spitzt die Frage wie Kunst begründet wird und werden kann,
so zu, dass die Intension des Künstlers irrelevant wird und die Interpretation dem Betrachter
zugesprochen wird. Die Auswüchse im Arbeitsmarkt von z.B. Bewerbungsverfahren und
Verobjektisierung des Protagonisten führt Gerber in seinem neuen Video vor. Den Reiz der
blattfüllenden Zeichnungen von Bastian Muhr macht die Kombination des Wegradierten,
Verschwommenen mit den konstruktiv-geometrischen Linien aus. Linolschnitt als work in progress
von neun Teilen auf 27 bis 36 Platten erweitert und zugleich als Gesamtwerk und Einzelplatte
funktionierend, ist eine besondere Entwicklung im Schaffen von Anya Triestram. Ihre Serie
„Jagdhütte, Mittag: 12:30 Uhr“ hat nicht nur den inhaltlich kunsthistorischen Kontext des Hasen,
der von Dürer bis hin zu Beuys reicht, sondern changiert zwischen formaler Kühle und poetischem
Verspieltsein.

Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

Sabine Aichele-Elsner und Marian Elsner
Team der Galerie ARTAe, April 2011


Kunsthalle Villa Kobe