Jan Pötter

Sonnenzähmer

Malerei

03. September bis 30. Oktober 2021

Zur Eröffnung am Freitag, 03.09.2021 ab 19 Uhr ist der Künstler anwesend.

Die Werke von Jan Pötter leuchten in hellen, schrillen Farben, erzählen mit ihrem Detailreichtum Geschichten und lassen die Betrachtenden in fantastische, märchenhafte Orte eintauchen. Die auffällige Farbigkeit, die man sonst vielleicht in Werbeanzeigen oder in der Pop-Art wiederfinden kann, ist Ergebnis der Studienzeit an der AKI im niederländischen Enschede. Der 1988 geborene Künstler lässt Gedanken, Erinnerungen oder aktuelle Themen auf seinen Leinwänden Platz finden. Das Anfertigen von Naturstudien als Grundlage für größere Malereien ist in seinem Arbeitsprozess neu und lockt ihn, neben dem Arbeiten im heimatlichen emsländischen Moor, auch in die Leipziger Seenlandschaft. Dort ist neben der idyllischen Natur auch immer wieder die weiße Dampfwolke des Braunkohlekraftwerkes zu entdecken. Der Hang zum Geschichtenerzählen zeigt sich nicht nur in der Tätigkeit des Malens, sondern findet sich auch in selbstverfassten Prosatexten und Lyrik wieder.

Das Zusammenspiel von Natur und Mensch ist das zentrale Thema, das in den Arbeiten des Malers ständig wiederkehrt. Wie seine Vorgänger der deutschen Romantik ist auch Pötter beeindruckt von der unberührten Natur, die im Stande ist, wunderbare Landschaften als Heimat für unzählige Pflanzen und Tiere hervorzubringen. Seine Bilder erzählen von der Sehnsucht nach warmer Sonne, langen Spaziergängen im Grünen und frischer Luft, vor allem während der Zeit im Lockdown Anfang des Jahres 2021. Doch der Einfluss des Menschen mischt sich auch wie ein bitterer Beigeschmack in die romantischen Landschaftsbilder die zunehmend bedrohlicher wirken. Wenn der „Sonnenzähmer“ im grünen Anzug ohnmächtig und tatenlos dasitzt, schwingt in diesem Bild vielleicht der Unmut über die Tatenlosigkeit angesichts sich anbahnender Klimakatastrophen mit. Beiläufig lässt sich der zentral im Bild positionierte Mensch dazu herab, einen sterbenden Vogel zu füttern, während die vernichtende Hitze der Sonnenstrahlen alles Leben um ihn herum auslöscht. Brennend vom Himmel herabstürzende Vögel lassen bereits das Ende der Welt erahnen. Dem Landschaftsmaler entreißt der Wind folgend in „Maler in Gefahr“ die Studien. Mit einer Hand die Klippe mit der anderen die gepflückten Blumen umklammernd, sieht er seine Arbeit davon segeln, während sich am Himmel schon dunkle Wolken auftürmen.

Schließlich muss der Mensch aufgeben. Sich vor dem braunen, dreckigen Flutwasser rettend, bleibt ihm ein letzter Stoß in die Trompete. Zu spät kommt jeder Rettungsplan, doch scheinen Wasserlebewesen zu triumphieren. „Heut ist Konzert bei den Fröschen am See“ lautet passend dazu der, dem Kinderlied entliehene, Titel. Mit dem Abgang des Menschen hat die Natur nun die Möglichkeit sich zu erholen und neu zu gedeihen.

Die Angst vor den unberechenbaren Naturgewalten können Bilder von überschwemmten Dörfern aus den Medien nur bestätigen. Vielleicht ist der Maler Jan Pötter ein moderner Caspar David Friedrich, nur lebt er in einer anderen Welt, die schon lange unter dem Einfluss des Menschen im Wandel ist. Unberührte weite Landschaften werden immer seltener. Auch Novalis, Dichter und Philosoph der Romantik, hat in Pötters Bildern den Sprung in unsere Zeit geschafft und besichtigt nun als Tourist die gewaltigen Braunkohlewerke um Leipzig. Hier verbinden sich die Interessen des Künstlers für Malerei und Dichtung, für die Romantik und die Gegenwart.

Pötters Werke erzählen nicht nur von dem bedenklichen Zustand unserer Umwelt und den Auswirkungen des Menschen auf diese. Ein weiteres uns in diesen Tagen ständig begleitendes Thema findet sich in seinen aktuellen Arbeiten wieder: Der Lockdown, in dem wir uns alle wiederfinden mussten und der als düstere Vorahnung auch über den Zukunftsplänen der nächsten Monate schwebt.

Während der Zeit der Isolation im eigenen Heim fernab von anderen Menschen, Kulturveranstaltungen und Urlaubsreisen ist es ausschließlich die Sehnsucht nach der Natur, die sich in den Werken des Künstlers wiederfindet. Der Mensch, immer im Zentrum des Bildes und immer für sich allein, versucht dem schmerzlich Vermissten so nah wie möglich zu kommen. Lampen und Zimmerpflanze müssen als unbefriedigender Ersatz herhalten, schaffen es allerdings nicht die Lebensfreude zurück in die stumpfen, ausdrucklosen Augen des Abgebildeten zu bringen. Einsame Landschaftsbilder hängen eingerahmt neben Kinderzeichnungen von Schmetterling und Blume und einem Selbstportrait mit Sonnenuntergang an der Wand. Sehnsuchtsbilder die den Wunsch nach Ausflügen im Grünen widerspiegeln, nicht aber das Verlangen nach der Gesellschaft anderer. In „Playing God“ ist es ein Aquarium mit Fischen, welches dem Verlangen Milderung verschaffen soll. Doch auch wenn Mensch und Tier sich hier so nahe sind, ist es doch ein Trugschluss zu glauben es bestände eine tatsächliche Verbindung zwischen beiden. Schließlich dient das kleine künstliche Biotop nur zum menschlichen Zeitvertreib, ist vielmehr Dekoration und stellt keinen Verglich zum echten Tierreich dar. Und das Interesse an unserer Umwelt wirkt mit einem Blick auf das nächste Werk mit dem Titel „Spaziergang“ sogleich wieder unaufrichtig, wenn der Protagonist, das Kinn im Blumentopf ruhend, der im Schneetreiben sterbenden Meise keinerlei Beachtung schenkt. Hier schlägt sich die Brücke zum Sonnenzähmer, der in ganz ähnlicher Manier nur halbherzig am Wohl der heimischen Vögel interessiert scheint.

 

Bezug zur jüngsten Kunstgeschichte bietet das „Selbstportrait als Muttermal“. Der Frauenakt, von dessen Rücken die Betrachtenden eine missmutig dreinblickende Grimasse entgegenblickt, erinnert an die Arbeiten Man Rays. In diesem Werk vereinigt Pötter zwei Aspekte, die auch im Oeuvre des US-amerikanischen Künstlers nicht wegzudenken sind: Erotik und Humor. In Fotografie, Malerei Objekt- und Videokunst beschäftigte sich der Dadaist und Surrealist mit Traumwelten und Wunschvorstellungen. Das launische Gesicht auf dem Frauenrücken erinnert an die vielen experimentellen Verfahren denen Ray seine Arbeiten unterzog. So zeichnen die berühmten Rayografien, in der Dunkelkammer entstandene Photographien ohne Kamera, sich durch die geheimnisvolle Abbildung von Objekten in Dunkel/Hell-Kontrasten auf Fotopapier aus, wie sie ähnlich hier auch in der Malerei Pötters zu erkennen sind. In Rays von Traum- und Wunschvorstellungen geprägten Werken spielt der nackte Frauenkörper eine zentrale Rolle.

 

 

Eine andere Facette, die ebenfalls in Pötters Werk auszumachen ist, kommt besonders in einigen kleineren Formaten zum Vorschein, zu denen auch der Golem zählt. Diese Malereien haben etwas verwunschenes, mystisches und erinnern an Erzählungen von Wald- und Moorwesen. Die Szenen scheinen bei Dämmerung oder Nacht eingefangen zu sein, Irrlichter tanzen umher und ein tiefes Blau verbindendet die einzelnen Werke dieser Gruppe. Hier finden sich Parallelen zu Otto Marseus van Schrieck wieder, dessen Stillleben für den Leipziger Künstler als Inspirationsquelle fungieren. Der holländische Maler des 17. Jahrhunderts richtete die Aufmerksamkeit in seinen Gemälden vor allem auf den Waldboden. Vor schwarzem Hintergrund tummeln sich dort Schlangen, Echsen und Kröten. Aus dem Dunkeln heraus leuchten farbige, von Faltern umschwirrte Blüten. Von ihm entleiht sich Pötter die Frösche und herumflatternden Insekten, die in seinem gesamten Oeuvre zu finden sind. In der niederländischen Malerei gelten Schmetterlinge als Symbol für Vergängliches. Entfloh einer Figur ein solcher Falter, so verlor diese ihre Seele. Wie passend, dass den teilnahmslosen Sonnenzähmer im titelgebenden Werk der Ausstellung zu Dämonen verkommene Flatterwesen umkreisen, scheint doch auch hier der Sinn für das Gute des Menschen im Umgang mit der Natur verlorengegangen zu sein. Das Moor ist dem heutigen Leipziger aus dem heimatlichen Emsland vertraut und bot bereits Grundlage für zahlreiche Landschaftsstudien. Wer in den Alltag eines Landschaftsmalers eintauchen möchte, dem empfiehlt sich der Katalog „Von einem, der auszog das Moor zu malen“, welcher im Rahmen eines Stipendiums des jungen Künstlers im Jahr 2020 erschien.

Mathilde Blum, Studentin der Kunstwissenschaft Universität Leipzig

Wir freuen uns auf Euren Besuch und laden sehr herzlich

zur Eröffnung am Freitag, 03. September 2021 von 19.00 bis 23.00 Uhr ein.

Der Künstler wird anwesend sein!

Euer Team der Galerie ARTAe: Marian und Sabine Elsner

Zur Vita von Jan Pötter

1988 geboren in Nordhorn

2008 Studium an der AKI Enschede (NL) der Malerei und Zeichnung

2012 Abschluss, Bachelor of Fine Art

seit 2013 lebt und arbeitet in Leipzig

Stipendien/ Förderungen

2021 Denkzeitstipendium Kulturstiftung Sachsen

2020 Aufenthaltsstipendium der Emsländischen Landschaft

2020 Aufenthaltsstipendium Kunstverein Grafschaft Bentheim

Kontakt zur Galerie über info@artae.de oder 0160-9111 8817.

Zur Abbildung oben: Jan Pötter, Sonnenzähmer, 2021, Acryl auf Leinwand, 170 x 140 cm